K wie Konkordanz, Konsens...

... Kollegialität und Kompromiss

Sich die Hand zum Kompromiss reichen - ein Grundprinzip des Schweizerischen Politiksystems (Photo by Warren Wong on Unsplash)
Sich die Hand zum Kompromiss reichen - ein Grundprinzip des Schweizerischen Politiksystems (Photo by Warren Wong on Unsplash)
25.05.2019

Das K verkörpert sozusagen die Grundprinzipien des Schweizer Regierungssystems: Konkordanz, Konsens, Kollegialitätsprinzip. Weil in der Schweiz alle wichtigen politischen Kräfte in die Regierung eingebunden sind (Konkordanz), braucht es die Konsensfindung als zentralen politischen Prozess,  was in der konsequenten Fortsetzung wiederum das Kollegialitätsprinzip unabdingbar macht. Aber nochmals der Reihe nach...

Das Grundprinzip des heutigen politischen Systems der Schweiz besteht darin, die Macht auf möglichst viele der massgeblichen politischen Kräfte zu verteilen (siehe auch: C wie CH). Das nennt sich Konkordanzsystem (im Gegensatz zur Konkurrenzdemokratie, in der eine Regierungspartei oder -Koalition der Opposition gegenübersteht).  So sind in der Schweiz alle grossen politischen Parteien im Bundesrat vertreten. Einen Chef wie in anderen Ländern den Premierminister oder die Ministerpräsidentin gibt es nicht. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wird nach festgelegtem Turnus gewählt, ist jeweils ein Jahr im Amt, agiert als primus (prima) inter pares – und soll vor allem die Bundesrats-Sitzungen leiten. 

Das führt zwar immer wieder zum Vorwurf der mangelnden Führung; doch für Bundeskanzler Walter Thurnherr herrscht in der Schweiz Einigkeit, «dass um jeden Preis verhindert werden soll, dass tatsächlich einer führt. (…) Das Maximum an Führung, das wir anderen zugestehen, heisst bei uns «Federführung». Und wir sind nicht einmal so schlecht gefahren damit» (NZZ, 13.6.17). Ganz anders sieht das der Politologe Claude Longchamp, der dem heutigen System eine strategische Schwäche attestiert (symbolisiert im «Zick-Zack-Kurs» des Bundesrates im EU-Dossier). Sein Reformvorschlag: Volkswahl des Bundespräsidenten, eine vierjährige Amtsdauer und ein eigentliches Präsidialdepartement (Swissinfo, 16.1.19). Der Vorschlag dürfte, wie alle anderen Reformbemühungen der Vergangenheit, wenig Chancen haben.  

Arithmetik schlägt den Inhalt

Der Bundesrat wird vom Parlament gewählt. Da kein Gesetz vorschreibt, wie die Zusammensetzung der Regierung zu sein hat, gibt es immer wieder Diskussionen, wie denn die Konkordanz zu verstehen sei. Die arithmetisch korrekte Zusammensetzung gemäss dem Wählerwillen in den Parlamentswahlen? Oder eine inhaltliche Konkordanz derjenigen Parteien, die sich auf ein rudimentäres Regierungsprogramm einigen können? Bisher hat sich jedesmal die arithmetische Konkordanz durchgesetzt – wobei die Arithmetik auch sehr unterschiedlich ausgelegt wurde (so mussten aufstrebende Parteien jeweils diverse Warteschlaufen absolvieren, bis sie in die Konkordanz aufgenommen wurden).

Die Konkordanz bzw. Machtteilung bedingt nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch in den Parlamenten von Bund, Kantonen und Gemeinden den Willen zum Ausgleich und Konsens. Der Kompromiss (schon wieder so ein K!) ist deshalb auch nicht der letzte Fluchtpunkt eines nicht funktionierenden politischen Prozesses, sondern im Gegenteil der zentrale Bestandteil und letztlich das Ziel. Auch das macht die Schweiz einzigartig im internationalen Vergleich. 

Gremium vor Individuum 

Kompromisse schliessen funktioniert deutlich besser, wenn ausserhalb des Kollegiums nicht bekannt ist, wer wann und wieviel nachgegeben hat. Da kommt das Kollegialitäts-Prinzip ins Spiel. Es bedeutet, dass nach dem Entscheid einer Regierung die Haltung des einzelnen Regierungsmitglieds hinter den Entscheid des Kollegiums zurücktritt. So kann es zur paradoxen Situation kommen, dass ein Bundesrat vor den Medien und der Öffentlichkeit einen Entscheid vertreten und begründen muss, auch wenn er in der (geheimen) Abstimmung innerhalb des Bundesrats dagegen war. Dass dies politischen Alpha-Tieren nicht immer leicht fällt, versteht sich. Der frühere Bundesrat Moritz Leuenberger hat daraus fast schon eine Kunstform entwickelt, wenn er jeweils mit säuerlichem Gesicht, wie wenn er in eine Zitrone gebissen hätte, gewisse Geschäfte in der Öffentlichkeit vertrat. Und mit der der dezidierten Parole „Der Bundesrat hat entschieden, dass ...“ klarmachte, wo er eigentlich steht. 

Auch in einer Beziehung funktioniert es so besser 

Ständig Kompromisse schliessen? Seine eigene Meinung nicht sagen dürfen, wenn das Gremium anders entschieden hat? Ist das nicht furchtbar ineffizient und ernüchternd? Nun ja, etwas langsam und langweilig ist unser System ja schon (siehe auch bald: L wie langweilig…). Aber der ständige Anspruch auf Konsens und Machtteilung führt erwiesenermassen zu gesellschaftlicher Stabilität und Integration; und die ebenfalls resultierende Stabilität des politischen Systems ist für Wirtschaft und Gesellschaft das Fundament für ein prosperierendes Leben und Arbeiten (siehe auch E wie erfolgreich). Es ist wie in einer Beziehung: sie kann nur funktionieren, wenn es bei Konflikten keine Gewinner und Verlierer gibt, sondern Partner, die aufeinander zugehen und gemeinsam eine Lösung suchen.