Die Schweiz ist eines der erfolgreichsten Länder der Welt. Und dies nicht trotz, sondern wegen dem politischen System. Die direkte Demokratie ist für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ein Erfolgsfaktor. Und sorgt sogar für glücklichere Menschen.
In einer Zeit, in der alles und jedes in Listen, Ranglisten und Indices gemessen und bewertet wird, kann man feststellen: Die Schweiz gehört zu den reichsten, innovativsten, wettbewerbsfähigsten, reputiertesten, kurz: zu den erfolgreichsten Ländern der Welt (wer’s nicht glaubt, kann auf dem Twitteraccount @theworldindex die entsprechenden Ranglisten nachschauen).
Weniger Defizit, weniger Verschuldung, mehr Effizienz
Wissenschaftlich ist längst erwiesen, dass der (wirtschaftliche) Erfolg eines Landes mit dem politischen System zusammenhängt. Der Politologe Adrian Vatter fasste den Forschungsstand zu den Auswirkungen der direkten Demokratie auf Staatstätigkeit, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. In allen drei Feldern kommt er zu überwiegend positiven, zum Teil fast schon euphorischen Schlüssen. So schreibt er, dass «in Gemeinwesen mit grösserer Beteiligungsmöglichkeit des Volkes die staatlichen Einnahmen und Ausgaben sowie die Haushaltsdefizite weniger schnell wachsen, die Verschuldung pro Kopf wie auch die Steuerbelastung niedriger sind, die öffentlichen Leistungen effizienter hergestellt werden». Den gleichen positiven Effekt sieht Vatter für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Und die gesellschaftlichen Auswirkungen beschreibt er so, dass die direkte Demokratie zu höherem zivilgesellschaftlichem Engagement, dichteren sozialen Netzwerken und höherer politischer Zufriedenheit führt.
Stabilität als Erfolgsfaktor
Warum ist die direkte Demokratie nach Schweizer Prägung so erfolgreich? In erster Linie weil sie auf Stabilität angelegt ist, und Stabilität ist sowohl für Gesellschaft wie Wirtschaft ein Segen. Während in Konkurrenzdemokratien die regelmässigen Regierungswechsel immer wieder zu brüsken politischen Richtungsänderungen führen und die Verwaltungen, die die politischen Entscheide ausarbeiten und umsetzen müssen, mehr oder weniger ausgetauscht werden, herrscht in der Schweiz Stabilität. Die Regierung kann nicht abgewählt werden (ausser bei den Gesamterneuerungswahlen, aber das ist dann doch sehr theoretisch), einzelne Bundesräte könnten schon, werden aber nicht (Ausnahme: Christoph Blocher 2007 und Ruth Metzler 2003), und die Verwaltungen bleiben meistens dieselben, egal wer gerade die politische Leitung innehat. Der weltweitig tätige Versicherungsmakler Marsh beurteilt in einer Studie 2017 die Schweiz als «stabilstes Land der Welt». Zur Stabilität tragen gemäss Marsh vor allem der breite politische Konsens, die Bürgerbeteiligung und die Unabhängigkeit des Landes bei.
Diese Stabilität generiert offenbar auch Vertrauen: In keinem Land der Welt ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung und in die Institutionen so gross wie in der Schweiz. Gemäss OECD vertrauen 75% der Schweizerinnen und Schweizer der Regierung und dem Parlament; der OECD-Durchschnitt beträgt gerade mal 42%.
Abstimmen statt die Faust im Sack machen
Das Grundprinzip der direkten Demokratie ist der Einbezug der Bürger und der verschiedenen Interessengruppen in den politischen Prozess. Das führt zu höherer Zufriedenheit und grösserem Engagement der «Stakeholder» und ist damit ein weiterer Erfolgsfaktor der direkten Demokratie. Auch im beruflichen und privaten Leben möchten wir ja hin und wieder nach unserer Meinung gefragt werden und wenn möglich mitentscheiden. Die direkte Demokratie ist unter anderem so erfolgreich, weil sie «eine Katalysator-Funktion auf das Protestverhalten der Bürger» (Vatter) ausübt, indem man ihnen verschiedene Möglichkeiten gibt, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Mit anderen Worten: Abstimmen statt die Faust im Sack machen.
Fazit: Die Schweiz ist nicht trotz, sondern wegen der direkten Demokratie ein Erfolgsmodell, auch wirtschaftlich. Und ein glückliches Land dazu: Im World Happiness Report, herausgegeben von der Uno, rangiert die Schweiz seit 2012 immer unter den ersten sechs Ländern.
Literaturhinweis: Adrian Vatter: Das politische System der Schweiz. Baden-Baden, Nomos 2016, 2. Auflage.